Der PACS nach Schweizer Art -„Ehe Light à la Française“?

Gabrielle Bodenschatz, Advokatin, Mediatorin, Fachanwältin SAV Familienrecht

 

Kaum hat am 26. September 2021 das Schweizer Stimmvolk Ja zur «Ehe für alle» gesagt und gleichzeitig die eingetragene Partnerschaft abgeschafft, wird im Bundeshaus über eine „Ehe light“ – nach dem Vorbild des „Pacte civil de solidarité“ (PACS) in Frankreich – diskutiert. Bis Ende Jahr wird das Justizdepartement EJPD einen Bericht über die Vor- und Nachteile einer solchen „Ehe light“ vorlegen und erfüllt damit einen inzwischen fünf Jahre alten Auftrag, welcher auf ein im Jahr 2016 überwiesenes Postulat von Ständerat Andrea Caroni zurückgeht. Kommt der Bundesrat zum Schluss, dass ein PACS nach französischem Vorbild einem Bedürfnis in der Bevölkerung entspricht und die Vorteile überwiegen, dürfte dies eine interessante Alternative im Mittelfeld zwischen Ehe und Konkubinat werden. Nach den Vorstellungen von Herrn Ständerat Caroni in dessen Postulat (15.3431) soll dieses Rechtsinstitut ausserhalb der Ehe jedermann für die rechtliche Regelung einer Lebenspartnerschaft von zwei Personen – unabhängig von der Geschlechterzusammensetzung – offenstehen. In Frankreich gibt es diese Möglichkeit einer eheähnlichen Partnerschaft schon seit 1999. Sie ist sehr einfach zu schliessen und auch wieder aufzulösen, hat aber auch nicht unbedeutende Nachteile. Der PACS sollte ursprünglich das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare rechtlich anerkennen, mittlerweile wird er aber zu 95 Prozent von Partnern unterschiedlichen Geschlechts geschlossen. Für den Abschluss reicht eine gemeinsame Erklärung entweder vor einem Notar oder durch private Vereinbarung (acte sous seing privée) aus. Letztere muss allerdings bei der Wohnsitzgemeinde der Partner registriert werden. Französische Staatsangehörige, die im Ausland leben, können ihren PACS bei der französischen Botschaft oder beim französischen Konsulat registrieren lassen, sofern mindestens einer der Partner französischer Staatsangehöriger ist. Eine behördliche Registrierung entfällt, falls der PACS vor dem Notar geschlossen wird. Die Parteien müssen vor dem Notar oder bei der Behörde persönlich erscheinen. Eine Stellvertretung ist nicht möglich. Der PACS ist ein Vertrag, welcher jederzeit mit beiderseitigem Einverständnis modifiziert und angepasst werden kann. Zweifellos eröffnet dieses Rechtsinstitut interessante Möglichkeiten, welche für das Eherecht nicht denkbar sind. Ein Statusverhältnis wird durch den PACS nach französischer Auffassung nicht begründet. Notwendiger Gegenstand des PACS ist das Zusammenleben und der gegenseitige materielle Beistand der Partner, wobei die Idee des Beistandes nebst dem materiellen auch einen persönlichen Aspekt hat. Die Pflicht zur gegenseitigen materiellen Hilfe kann vertraglich nicht wegbedungen werden. Der Inhalt dieser Pflicht ist allerdings variabel. Ist nichts geregelt, stellt der Richter auf die jeweilige wirtschaftliche Situation der Partner ab. Umstritten ist, ob es sich diesbezüglich um eine echte Unterhaltspflicht handelt. Der vertragliche Charakter des PACS spricht eher für eine vertragliche Gegenleistung. Grundsätzlich gilt Gütertrennung. Die Partner können jedoch davon abweichen und Gütergemeinschaft vereinbaren. Für die Geschäfte des täglichen Lebens besteht Solidarhaftung. Der PACS bietet auch steuerliche Vorteile, indem die Partner gemeinschaftlich versteuern und von Steuererleichterungen profitieren. Haben die Partner ein gemeinsames Kind, so entsteht in Frankreich nicht automatisch ein Kindesverhältnis zum Vater. Das Kind muss beim Zivilstandamt anerkannt werden. Auch gibt es nicht automatisch eine wechselseitige Erbberechtigung. Der Nachlass muss mittels letztwilliger Verfügung geregelt werden. Einen Anspruch auf eine Witwen-, bzw. Witwerrente gibt es nicht. Somit besteht keine gegenseitige Absicherung im Todesfall. Das Ende des PACS bedeutet das Ende der Pflicht zur finanziellen Unterstützung. Eine das Vertragsverhältnis überdauernde Unterhaltspflicht oder anderweitige Ausgleichspflicht bei Auflösung wie bei der Ehescheidung gibt es nicht. Das französische Recht kennt diesbezüglich keine Nachwirkungen wie bei der Ehe. Nachdem es sich beim PACS allerdings um ein vertragliches Institut handelt, sind Schadenersatzansprüche grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Ob über diesen Weg gewissermassen das Verschuldensprinzip bei Auflösung wieder an Boden gewinnen könnte, ist dennoch fraglich. Gegen eine solche Sichtweise spricht der Grundgedanke der schnellen und unkomplizierten Auflösung. Für die Auflösung des PACS reicht nämlich die einseitige schriftliche Anzeige an den anderen ohne Grundangabe. Man darf somit gespannt sein, welche Aspekte der Bundesrat übernehmen und wie die Ausgestaltung „nach Schweizer Art“ letztlich aussehen wird. In Anbetracht der diesem Institut innewohnenden offenen und gesetzlich bewusst wenig durchdrungenen Materie werden allfällige Partner zweifellos gut beraten sein, besondere Sorgfalt bei der Ausgestaltung des Vertrages walten zu lassen und diesen laufend anzupassen oder zumindest auf seine Aktualität überprüfen zu lassen. Eine sorgfältige und gute juristische Beratung und Begleitung wird zweifellos – sobald die Parteien über bedeutsame gemeinsame finanzielle Mittel oder Familie verfügen – unabdingbar sein. Auch wenn der PACS leicht aufzulösen und auf den ersten Blick unkompliziert erscheint, so kann eine wenig durchdachte Regelung zu nicht unbeachtlichen Schwierigkeiten und Streitigkeiten bei der Auflösung des PACS führen.

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