Versicherungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit «Long Covid»

Dr. Marco Chevalier, Fachanwalt SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht

Rund ein Viertel der COVID-19-Betroffenen leidet sechs Monate nach einer Erkrankung noch an Symptomen. Man spricht dabei von Corona-Langzeitfolgen bzw. «Long Covid». Zu den häufigsten Symptomen zählen:

  • Müdigkeit
  • Kopfschmerzen
  • Konzentrationsdefizite
  • Haarausfall
  • Atemnot

 

Welcher Anteil dieser Betroffenen langfristig in der Erwerbsfähigkeit eingeschränkt bleibt – und damit invalid im Sinne der Unfallversicherung bzw. der IV wird – lässt sich heute erst grob voraussagen. Genau quantifizieren lassen sich die Fälle erst, wenn gross angelegte Studien über langjährige Verläufe ausgewertet werden können. Stand heute sind in der Schweiz bereits über eine Million COVID-19-Infektionen nachgewiesen worden. Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Wenn nur ein kleiner Bruchteil davon invalid wird, ist mit tausenden von Invaliditätsfällen zu rechnen.

Um sicher zu gehen, dass keine Leistungen der IV verwirken, muss die IV-Anmeldung spätestens sechs Monate nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Es empfiehlt sich, fünf Monate nach Ausbruch der Erkrankung eine versicherungsrechtliche Lagebeurteilung vorzunehmen. Sind die Symptome bis dann nicht abgeheilt, sollte eine Anmeldung bei der IV erfolgen und fachkundiger Rat eingeholt werden. Bei vorübergehenden Arbeitsunfähigkeiten stehen bei der IV die Frühinterventions- und Eingliederungsmassnahmen im Vordergrund. Im Falle einer dauernden Erwerbsunfähigkeit geht es um die Renten der IV und der Pensionskasse.

Bei Personen, die aufgrund ihres Berufes einem erheblich erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, kann COVID-19 als Berufskrankheit von der obligatorischen Unfallversicherung gedeckt sein. Die Qualifikation als Berufskrankheit bringt für den Betroffenen deutlich höhere Leistungen mit sich. COVID-19 gilt als Berufskrankheit, wenn die Infektion «stark überwiegend» durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist. Erforderlich ist, dass die Krankheit einen Verursachungsanteil von mind. 75% durch die berufliche Tätigkeit aufweist. Dies ist z.B. bei Ärzten oder Pflegenden der Fall, welche Infizierte betreuen. In solchen Fällen sind Langzeitfolgen von Covid-19 in der Schweiz bereits als Berufskrankheit anerkannt worden. Massgebend sind immer die konkreten Umstände am jeweiligen Arbeitsplatz. Auch in anderen Fällen lohnt es sich, diese Voraussetzung zu prüfen.

Dass Unfallversicherungen COVID- 19 in gewissen Fällen als Berufskrankheit anerkennen, ist bereits Realität. In den umstrittenen Fällen werden die Gerichte urteilen müssen. Es liegt in der Natur der Sache, dass entsprechende Gerichtsurteile erst mit einigen Jahren Verspätung folgen werden.

Erfolgt die Infektion nur zufällig bei der Arbeit, so ist die für die Berufskrankheit erforderliche stark überwiegende Verursachung nicht gegeben. Wenn die Infektion am Arbeitsplatz erfolgt, weil der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt hat (z.B. indem er Schutzkonzepte vernachlässigt) so ist eine haftpflichtrechtliche Deckung zu prüfen. Auch dies ist mit erheblich besseren Leistungen für die Betroffenen verbunden als eine «normale» Krankheit.

 

 

Weitergehende Informationen zum Thema finden Sie hier:

www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/krankheit-symptome-behandlung-ursprung/long-covid.html

 

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