Versicherungsrechtliche Aspekte der Coronavirus-Krise

Dr. Marco Chevalier, Advokat, Fachanwalt SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht

Zur Bekämpfung des Coronavirus Covid-19 hat der Bundesrat im März dieses Jahres die ausserordentliche Lage erklärt und zahlreiche einschneidende Massnahmen verfügt. In diesem Zusammenhang stellen sich auch versicherungsrechtliche Fragen. Unter anderem mussten am 16. März 2020 sämtliche Gastronomiebetriebe für mindestens zwei Monate ihr Restaurant schliessen. Dies führte gerade im Frühjahr, als zahlreiche Betriebe aufgrund des guten Wetters wieder erhöhte Umsätze verzeichnet hätten, zu erheblichen Umsatzeinbussen, welche zu massiven Liquiditätsproblemen führten und nicht selten eine existenzielle Bedrohung für die betreffenden Betriebe darstellte.

Zur Absicherung genau dieses Risikos wurden in der Vergangenheit von den Versicherungen Epidemie-Versicherungen angeboten, welche den Umsatzausfall bei Betriebsschliessung abdecken sollten. Nach Eintritt des Schadenfalls erfolgte nun jedoch das böse Erwachen: Die Versicherungen verweisen auf ihre allgemeinen Versicherungsbedingungen, welche das Ereignis «Epidemie» anders definieren als es normalerweise verstanden wird. Zudem wurden Ausschlüsse und Einschränkungen im Kleingedruckten vorgesehen und beispielsweise die Leistungspflicht generell abgelehnt, weil nicht mehr eine «Epidemie», sondern eine «Pandemie» vorliege. Statt dass dank der Versicherung rasch der existenzbedrohende Liquiditätsengpass beseitigt wurde, standen die Gastronomen, die jahrelang Prämien für eine Epidemie-Versicherung bezahlt hatten, nun zusätzlich vor einem Rechtsstreit gegen die Versicherung.

Nach heftiger Kritik lenkten einzelne Versicherungsgesellschaften ein. Andere boten rund die Hälfte des eigentlich geschuldeten Betrages als Vergleich an und verwiesen darauf, dass man einen aufwendigen Prozess führen müsse, wenn man das nicht akzeptiere. Ein vom Ombudsmann in Auftrag gegebenes neutrales Gutachten kam zum Schluss, dass in den meisten Fällen die Leistungsverweigerung der Versicherung zu Unrecht erfolgte. Der einzelne Betroffene hat also eigentlich gute Chancen auf Erfolg, muss jedoch einen zeit- und kostenintensiven Prozess gegen einen Grosskonzern führen. Zahlreiche Betroffene sehen sich nicht in der Lage, diesen Prozess durchzustehen.

Dass solche Missstände behoben werden müssen, wurde in der Politik erkannt. Zahlreiche neue Regelungen zum kollektiven Rechtsschutz sind geplant, jedoch heute noch nicht in Kraft. Auch ohne entsprechende Regelung besteht schon heute die Möglichkeit, dass sich die Betroffenen zusammenschliessen und einen Musterprozess führen. Sobald dieser gerichtlich entschieden ist, hat man Klarheit über die Leistungspflicht der Versicherung. Da in den Versicherungsverträgen häufig Verwirkungsfristen vorgesehen sind, empfiehlt es sich für alle Betroffenen, rechtzeitig anwaltlichen Rat zu suchen und auf diese Weise kosteneffizient den Musterprozess zu begleiten. Betreffend Epidemie-Versicherungen führen wir solche Musterprozesse. Gerne beraten und vertreten wir Sie in diesem Zusammenhang und zeigen Ihnen das in Ihrem Fall beste Vorgehen auf.

Weitere juristische Fälle zeichnen sich auch im Zusammenhang mit der Entschädigung durch die Covid-19-Schutzmassnahmen als besonders Betroffene ab. Art. 63 des Epidemiegesetzes sieht vor, dass Personen, die aufgrund behördlicher Schutzmassnahmen Schäden erleiden, unter gewissen Bedingungen Anspruch auf Entschädigung durch den Staat haben. Die Bestimmung ist bisher noch kaum zur Anwendung gekommen. Die genauen Voraussetzungen sind deshalb z. T. noch nicht geklärt. Klar ist, dass nicht generell ein Anspruch auf Entschädigung besteht. Erforderlich dürfte zumindest eine «besondere Betroffenheit» sein, die zu einer wirtschaftlichen Notlage führt. Ein Anspruch besteht jedoch, wenn jemand von einer behördlichen Massnahme betroffen war, die sich im Nachhinein als nicht rechtmässig erweist. Dies wäre bspw. der Fall, wenn ein Gericht zum Schluss käme, dass eine generelle Schliessung von Zahnarztpraxen nicht verhältnismässig war, weil das Ziel auch mit milderen Mitteln wie z. B. strengen Hygienemassnahmen hätte erreicht werden können. Auch hier werden interessante Rechtsfragen von den Gerichten zu klären sein.

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